Zadie Smith: Betrug
Zadie Smith siedelt BETRUG zwar im 19. Jahrhundert, zu Zeit Charles Dickens an, doch ist ihr historischer Roman hochaktuell.
Ist Roger Tichborne wirklich der Mann, der vor zehn Jahren spurlos verschwand? Oder ist er nur ein dreister Betrüger, der es auf das Geld der altehrwürdigen englischen Familie abgesehen hat? Fest steht: Dieser Roder Tichborne ist nicht nur von ganz anderer Statur, er kann auch nicht Französisch sprechen und hat nicht einmal die Tätowierung von damals. Ein Gericht soll nun klären, ob es sich hier um Betrug oder Wahrheit handelt. Der Prozess ist DAS Gesprächsthema der besseren Gesellschaft, und so besucht auch Eliza Touchet in Begleitung von Sarah, der Frau ihres Cousins, des Schriftstellers William Harrison Ainsworth, jeden einzelnen Tag der Gerichtsverhandlung. Eliza ist überzeugt, dass es sich um einen Betrüger handelt, ihre Begleiterin hingegen glaubt dem Anwärter auf das Vermögen. Mehr als an der Sache ist Eliza allerdings an Tichbornes Begleiter interessiert, denn der Jamaikaner Paul Bogl hat eine sehr bewegte Geschichte zu erzählen.
Das viktorianische England
Ihren neuen Roman “Betrug” siedelt Zadie Smith im England des viktorianischen Zeitalters, in der Mitte des 19. Jahrhunderts an. Sie erzählt ungezwungen vom Leben des damals sehr bekannten Schriftstellers William Harrison Ainsworth, der sich allerdings, anders als sein Freund Charles Dickens, nicht nachhaltig ins Gedächtnis des literarisch interessierten Publikums eingeschrieben hat. Im Mittelpunkt ihres Romans “Betrug” steht dessen Cousine Mrs. Eliza Touchet, die früh Witwe geworden ist und mit im Haushalt des Autors lebt. Sie liest viel, interessiert sich für gesellschaftlich relevante Themen wie die mögliche Abschaffung der Sklaverei und hat auch sonst zu allem eine Meinung. In kurzen Kapiteln erzählt Zadie Smith von einem England, das gesellschaftlich zwischen arm und reich, zwischen Tradition und Modernität zerrissen ist und in dem sich die Auflehnung gegen die überkommene Ordnung formiert. Dabei entrollt sie ihre “Betrugs”-Geschichte nicht chronologisch, sondern switcht immer wieder zwischen den Zeiten hin und her.
Die Sklaverei in Jamaika
Ein besonderes Augenmerk legt sie auf die Entwicklung der Sklaverei in Jamaika, deren Abschaffung zwar 1834 erreicht wurde, den Menschen aber nicht sofort die erhoffte Verbesserung ihres Lebens brachte. Die Autorin betont zwar, dass sie ihren Roman nicht im Kontext der postkolonialen Debatten sieht, aber dennoch ist “Betrug” ein historischer Roman, der hochaktuell ist.
Zadie Smith geboren 1975 im Norden Londons. Ihr erster Roman »Zähne zeigen«, 2001 erschienen, wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und ein internationaler Bestseller. Der Roman »Von der Schönheit«, 2006 erschienen bei Kiepenheuer & Witsch, war auf der Shortlist des Man Booker Prize 2005 und gewann den Orange Prize. Zadie Smith erhielt u.a. 2016 den Welt-Literaturpreis und 2018 den Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur. Sie lebt mit ihrer Familie in London.
Tanja Handels, geboren 1971 in Aachen, übersetzt zeitgenössische britische und amerikanische Literatur, u.a. von Bernardine Evaristo, Toni Morrison, Nicole Flattery und Charlotte McConaghy. Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis.
© KiWi Verlag
528 Seiten
02. November 2023
ISBN: 978-3462005448
Original: The Fraud
Übersetzung:
Tanja Handels