Heinz Strunk: Der goldene Handschuh
In DER GOLDENE HANDSCHUH von Heinz Strunk ist eine Milieustudie aus der Hamburger Absturzkneipe in St. Pauli.
Es ist wirklich die letzte Spielunke auf St. Pauli, in der Fiete Honka Anfang der 1970er Jahre regelmäßig abhängt, um sich volllaufen zu lassen. Gerne auch mal zwei Tage durch – Vernichtungssaufen nennt er das dann. Der “Goldene Handschuh” schließt nie, 24/7. Dabei ist Fiete, obwohl fast vierzig, immer noch besser beieinander, als manche andere Gäste hier. Als die “Schimmligen” im Hinterzimmer etwa, die es praktisch nie ans Tageslicht schaffen. Außerdem kommen ja durchaus auch honorige Gäste in den Laden, verirrte Reeperbahn-Touristen, sogar feine Kaufmanns-Sprösslinge, die hier inkognito mit dem Absturz kokettieren. Und, jawohl, immer mal wieder gelingt es Fiete sogar, eine Frau abzuschleppen und in seiner bestialisch stinkenden Wohnung auf die Matratze zu werfen. Wracks wie er selbst zwar, aber egal. Natürlich viel zu selten, wie er findet. Was bilden sich diese “Fotzen” eigentlich ein, sind sie etwas besseres als er? Fiete Honka steigert sich da in etwas herein, und schließlich nimmt er es sich mit Gewalt.
Der goldene Handschuh
Wer mit Heinz Strunk in den “Goldenen Handschuh” geht, landet nicht nur in einer Hamburger Absturzkneipe, sondern mitten in einer Milieustudie aus einem längst untergegangenem St. Pauli. Natürlich braucht man hier verbal ein dickes Fell; als Film hätte das Buch locker FSK 18, und gendermäßig ist fast jede Seite ein Anschlag auf die Würde der Frau – tiefste ’70er halt, und das von ihrer finstersten Seite. Heinz Strunk beherrscht diese Sprache so beängstigend gut, dass man das besoffene Gelaber manchmal schon fast nicht mehr ertragen kann. Aber wie sonst, ohne Kenntnis dieses ganzen Sumpfs, soll man verstehen, wie einer wie Fritz “Fiete” Honka zum (mindestens) vierfachen Frauenmörder werden konnte? Warum in diesem Milieu über Jahre niemand etwas merkte oder gar die Opfer vermisste? Oder in welcher Weise selbst diese hinterste Kehrseite der stolzen Hansestadt Hamburg irgendwie doch Teil ihrer verlogenen Gesellschaft war? Strunk hat gründlich recherchiert, sprach mit dem Sohn des verstorbenen Handschuh-Wirtes. Natürlich ist alles fiktiv. Aber beängstigend realistisch.
Der Schriftsteller, Musiker und Schauspieler Heinz Strunk wurde 1962 in Hamburg geboren. Sein Buch «Fleisch ist mein Gemüse» verkaufte sich fast 500.000-mal. Es ist Vorlage eines preisgekrönten Hörspiels, eines Theaterstücks und eines Kinofilms. Auch die darauf folgenden Bücher des Autors wurden zu Bestsellern.