Jaroslav Rudis: Nationalstraße
In NATIONALSTRAßE lässt der tschechische Autor Jaroslav Rudis die düsteren Gedanken des Ex-Polizisten Vandam hin- und herschweifen.
Vandam wohnt in einer Plattenbausiedlung, die auf einer sumpfigen Einöde im Norden Prags hochgezogen wurde. Einst eine Art Vorzeigeprojekt, verwahrlost der Wohnkomplex immer mehr. Vandam ist frustriert, aber er hält dagegen. Er geht zur Arbeit, hält sich fit und beschwert sich, wenn die blöden ausländischen Nachbarn mal wieder ihre Kochgerüche durch den ganzen Hausflur wabern lassen – als einziger. Ok, dann ist er halt kein angenehmer Zeitgenosse. Er sieht sich selbst als Patriot und gleichzeitig als Verlierer seiner Generation. Denn als junger Polizist war er bei der sanften Revolution 1989 auf der Prager Nationalstraße dabei, bis er später wegen Gewaltübergriffen aus dem Polizeidienst entlassen wurde.
In seinem neuen Roman “Nationalstraße” lässt uns der tschechische Autor Jaroslav Rudis an den düster hin- und herschweifenden Gedanken des Ex-Polizisten Vandam teilhaben. Vandam fühlt sich nicht als Nazi, sondern er stoppelt sich seine eigene Wahrheit zurecht und sieht sich als “Römer”, als Europäer in einem Europa ohne Minderheiten. In fast schon poetischer Form erscheinen seine verqueren Vorstellungen erschreckend ehrlich und klar. An seinem Beispiel wirft der Autor einen Blick auf fremdenfeindliche Ansichten, die inzwischen nicht nur in Tschechien bis hinauf in höchste politische Ebenen vertreten werden. Zwar verlässt er gelegentlich die Sicht des Ich-Erzählers Vandam zugunsten einer neutralen Erzählperspektive, doch die meiste Zeit bleibt Rudis im Kopf seines Protagonisten und folgt dessen wirrer und dennoch scheinbar folgerichtiger neofaschistischer Logik. Wie der Autor selbst sagt, gibt es ein reales Vorbild für seine Figur.
Zum Glück fehlt es in “Nationalstraße” aber nicht am tschechischen Humor – “man lacht und zittert zugleich, das ist auch mir beim Schreiben wichtig”, so Rudis. Das hat er geschafft. Ein authentischer Einblick in eine Gesellschaft, die ihrer Fremdenfeindichkeit immer unverhohlener Ausdruck verleiht.
Jaroslav Rudiš, geboren 1972, ist Schriftsteller, Drehbuchautor und Dramatiker. »Grandhotel«, nach »Der Himmel unter Berlin« sein zweiter auf Deutsch erschienener Roman, wurde 2006 verfilmt. Sein neuer Roman »Nationalstrasse« ist schon ins Französische, Finnische und Polnische übersetzt worden.