Michael Ridpath: Wut
WUT von Michael Ridpath ist ein spannender Blick auf die Finanzkrise der jüngeren isländischen Geschichte und was sie aus Menschen macht.
Auf dem Höhepunkt der isländischen Finanzkrise treffen sich regelmäßig Demonstranten im Zentrum Reykjavíks, um gegen die Banker und die Regierung zu protestieren. Auch die ehemalige Bankangestellte Hapra ist mit dabei. Bis vor kurzem verdiente sie in ihrem Job viel Geld, jetzt ist sie froh, dass sie als Aushilfe in einer Bäckerei wenigstens noch die Raten für ihr Haus bezahlen kann. An diesem Abend lernt sie zufällig den Fischer Björn und noch ein paar andere Leute kennen, die alle der Frust über das Finanzdesaster auf die Straße treibt. Zusammen beschließen sie, Hapras Ex-Freund zur Rede zu stellen, denn der arrogante Banker hat durch die Krise viel Geld verdient.
Schnell eskaliert die Situation, und Gabriel Örn Bergsson kommt bei der Auseinandersetzung ums Leben. Die Gruppe versucht, seinen Tod als Selbstmord darzustellen, doch der ermittelnde Kommissar Magnus Jonson, der lange in Boston gelebt hat und nun wieder in Island arbeitet, hat seine Zweifel und glaubt eher, dass hier jemand an den Verursachern der isländischen Bankenkrise grausame Rache nehmen will. Und richtig: schon wenig später wird ein weiterer isländischer Banker in London ermordet.
Nach “Fluch” ist “Wut” der zweite Island-Thriller mit Kommissar Magnus Jonson. Michael Ridpath stellt dieses Mal die Bankenkrise in den Mittelpunkt, die Island 2008 kurz vor den Staatsbankrott gebracht hat und nur durch die Verstaatlichung der drei größten Banken gelöst werden konnte – einschließlich der Übernahme aller Bankschulden auf den Staat. Doch viele Isländer hat die Krise auch privat in den Ruin getrieben. Es wird behauptet, dass gerade dreißig Menschen in den Schaltstellen der Geldhäuser für das ganze Desaster verantwortlich waren. Michael Ridpath erfindet in seinem Roman “Wut” eine kleine Gruppe, die den Wunsch hegt, sich an diesen Menschen zu rächen. Und gleichzeitig die Verhältnisse in Island grundsätzlich zu ändern. Und das mit Methoden, die an die gewaltbereiten Konzepte der politischen Gruppierungen der 1970er Jahre erinnert.
Michael Ridpath: Wut
Dabei baut Ridpath seine Geschichte sehr raffiniert auf. Indem er seinen Lesern anfänglich nicht mehr verrät, als auch sein Kommissar weiß. Und der hat einige Schwierigkeiten, seinen Mutmaßungen Gehör zu verschaffen. Und zugleich in seiner alten Heimat, die er im Alter von elf Jahren verließ, wieder Fuß zu fassen. “Wut” ist ein unterhaltsam-spannender Blick auf die wohl kritischste Phase der jüngeren isländischen Geschichte. Und auf das, was die weltweite Finanzkrise mit Menschen machen kann.
Michael Ridpath, Jg. 1961, wuchs in Yorkshire auf und studierte in Oxford Geschichte. Bis 1991 arbeitete er erfolgreich als Trader bei einer internationalen Großbank in London. Und noch heute ist er bei einer Investmentfirma angestellt. Er lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in London.