Der französische Krimi in der Literatur
Der französische Krimi in der Literatur. Geschichte und Gegenwart. Vom “Phantom der Oper” bis zu den Fred Vargas Krimis.
Die Wurzeln des französischen Krimis in der Literatur reicht bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Hier einige wichtige Etappen und Autoren*innen in der Entwicklung des französischen Krimigenres:
Das Phantom der Oper – Ein frĂĽher Krimi
“Das Phantom der Oper” (1910) von Gaston Leroux ist zwar in erster Linie eine Liebesgeschichte über ein maskiertes Phantom, das einer jungen Frau zum Erfolg auf der Opernbühne verhilft. Doch sie enthält auch viele Elemente einer Krimistory und ist somit ein frühes Beispiel des französischen Kriminalromans.
Maurice Leblanc und sein Meisterdieb Arsène Lupin
Die von Netflix erfolgreich produzierte Serie “Lupin” basiert auf der 1905 bis 1934 erschienenen Krimi-Reihe von Maurice Leblanc über den Verkleidungskünstler Arsène Lupin. Sie sind eine wichtige Etappe in der Geschichte des französischen Krimi in der Literatur, da sie von der Perspektive des Detektivs zu der des sympathischen Kriminellen, des Gentleman-Diebs herüber wechselt.
Die Maigret-Krimis von Simenon
In den Jahren 1931 bis 1972 erschienen die millionenfach verkauften Krimis mit dem Pariser Kommissar Jules Maigret aus der Feder des aus Belgien stammenden Autors Georges Simenon. In seinen 75 Krimis legte der Autor mehr Wert auf einen realistischen Ansatz und die psychologischen Motive hinter der Tat, als sich nur auf die Lösung eines Falles zu konzentrieren.
Der erste Privatdetektiv im französischen Krimi
Zunächst schuf Léo Malet (geboren 1909) in den 1940er Jahren die “Schwarze Trilogie”. In dieser dreibändigen Action-Krimi-Geschichte zeichnete er das Bild eines Mannes in leidenschaftlicher Revolte gegen die damalige Gesellschaft und gegen sich selbst. Dann tauchte sein einsamer Privatermittler Nestor Burma auf – der erste Privatdetektiv im französischen Krimi in der Literatur. Malet beschrieb darin das Paris der 1950er Jahre. Unter dem Titel “Neue Geheimnisse aus Paris” wurde daraus eine Reihe von 15 Bänden: ein Abenteuer für jedes Arrondissement.
Die Existentialistische Kriminalliteratur im französischen Krimi
Der französische Existentialismus in den 1940er und 1950er Jahren hat seine Philosophie der Individualität, der Freiheit und der Verantwortung des Einzelnen auch mit dem Krimi-Genre verknüpft. In der existentialistischen Literatur stehen die Charaktere vor moralischen Dilemmata und stellen sich die existenziellen Fragen des Lebens. Seine beiden wichtigsten Vertreter waren der Schriftsteller Albert Camus und der Philosoph Jean-Paul Sartre.
Beide haben ihren philosophischen Ansatz in der Kriminalliteratur verarbeitet. In “Der Fremde” (Original: L’Étranger) von Albert Camus gerät seine Figur in eine existenzielle Krise und wird schlieĂźlich zum Mörder. Er wirft dabei Fragen nach dem Sinn oder vielmehr der möglichen Sinnlosigkeit des Lebens auf und entlarvt die WillkĂĽr von Moral und gesellschaftlichen Normen. In Jean-Paul Sartres 1948 erschienenen, politisch-philosophischem Drama “Die schmutzigen Hände” (Original: Les Mains Sales) geht es um eine Mordabsicht aus moralischer Ăśberzeugung und um die Auseinandersetzung zwischen abstrakten (z.B. politisch-ideologischen) und privaten Motiven.
Der sozialkritische dĂĽstere Krimi-Noir (NĂ©o-Polar)
In den 1970er Jahren hat der “Krimi-Noir”, auch “NĂ©o-Polar” genannt, seine BlĂĽtezeit. Die nihilistischen, dĂĽsteren Storys handeln oft von zwiespältigen Figuren. Hier gibt es keine klare Antwort auf die Frage nach Gut oder Böse. Die Grenzen verschwimmen in einer moralischen Ambiguität.
Ein wichtiger Vertreter, der fĂĽr seine sozialkritischen Krimis berĂĽhmt wurde, ist der in Marseille geborene Jean-Patrick Manchette. Er schrieb elf Kriminalromane, wobei “Le Petit Bleu de la CĂ´te Ouest” (WestkĂĽstenblues) das Genre besonders prägte. Auch das Autoren-Duo Manchette und Jean Echenoz, das unter dem Pseudonym Manchette und Bastid publizierte, gehört zu den Vertretern des NĂ©o-Polar. Unter anderem erschien 1971 “Laissez bronzer les cadavres” (Lasst die Kadaver bräunen!).
Die Popularität steigt im französischen Krimi in der Literatur
Die zeitgenössischen französischen Krimis seit den 1990er Jahren integrieren vermehrt soziale und politische Themen. Fred Vargas mit ihrem Kommissar Adamsberg stellt ein integres und skurriles Ermittlerteam in den Mittelpunkt ihrer Handlungen. Sie gewann 2006 den Best Novel-Edgar Award und den Dagger Award. Jean-Christophe Grangés Mystik-Thriller, die immer auch politisch und gesellschaftskritisch sind, wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt und auch verfilmt. Bernard Miniers Krimis sind für ihre Intensität und die enormen Spannungsbögen bekannt. Sophie Hénaff schafft es mit leichter Hand, einen guten Schuss bissigen Humor in die brisanten Fälle und die langweilige Polizeiarbeit zu bringen. Die bretonischen Krimis von Jean-Luc Bannalec wissen neben oft beschaulichen Ermittlungen immer kulinarisch auftrumpfen. Auch die Krimis von Marie Pellissier mit ihrer Gardienne Lucy oder Jérôme Loubrys
Der Reise-Krimi
Des Weiteren gibt es viele frankophile Autor*innen, die ihre Krimis gern in Frankreich spielen lassen. Einige Beispiele sind Cay Rademacher mit “Dunkles Arles”, Anne Chaplet mit “Brennende Cevennen”, Benjamin Cors mit “Leuchtfeuer”, Martin Walker mit “Grand Prix”, der in Périgord spielt, oder Alexander Oetker mit “Zara und Zoë – Rache in Marseille” und “Tod in Marseille” von Doris Gercke, die beide in der Mittelmeer-Metropole spielen.