Ryan Gattis: In den Straßen die Wut
Ryan Gattis erzählt in IN DEN STRAßEN DIE WUT wie schmutzig und gewaltsam der Ausnahmezustand in Los Angeles 1992 war.
Los Angeles 1992. In der Stadt toben die Unruhen zwischen Schwarz und Weiß – nach der straflosen Misshandlung eines farbigen Verdächtigen durch die weiße Polizei brennen ganze Stadtviertel; die Staatsgewalt verliert für Tage die Kontrolle. Dies ist der Moment, in dem auch die Latino-Gangs losziehen, um ungestraft ihre Rechnungen zu begleichen. Als der große Bruder eines Ganggirls ermordet wird, schwört sie Rache. Aber nicht nur sie ist unterwegs. Da ist der Feuerwehrmann Anthony Smiljanic, der seinen Kollegen erst in letzter Sekunde vor dem brutalen Angriff eines Gangmitglieds retten kann. Oder die Krankenschwester Gloria Rubio, die auf der Intensivstation eines städtischen Krankenhaus arbeitet und sich große Sorgen um ihren Bruder macht, der in einer der vielen Gangs ist. Und da sind Momo, Clever oder Big Fate, die allesamt in verschiedenen Banden organisiert sind und sich in diesen Tagen und Nächten austoben. Auf den Straßen fließt Blut.
In den Straßen die Wut
Im Frühling 1992 kam es in Los Angeles zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Der Hintergrund war der Freispruch von vier Polizisten, die den Schwarzen Rodney King brutal misshandelt hatten – manche Dinge ändern sich in den USA offenbar nur sehr, sehr langsam. Ryan Gattis Idee zu “In den Straßen die Wut” war, dass ihm die Zahl der den Unruhen zugeschriebenen Toten viel zu niedrig erschien. Und tatsächlich: Nach einigen Recherchen stellte er fest, dass zahlreiche Totesfälle in jenen Gegenden, in die sich die Polizei nicht hinein getraut hatte, einfach als “normale” Tötungsdelikte verbucht worden waren, da man über die Hintergründe schlicht nichts wusste. Ryan Gattis recherchierte daraufhin in diesen Vierteln, befragte Beteiligte und interviewte selbst Gang-Mitglieder. Seinen ursprünglichen Plan, die Unruhen nur aus ihrer Sicht zu erzählen. Erweiterte er um die Sicht von Unbeteiltigen oder mittelbar Betroffenen wie Krankenschwestern oder Feuerwehrmännern.
Wie ein Tagebuch
So liest sich Gattis Buch wie ein Tagebuch, in dem seine Protagonisten aus ihren jeweils unterschiedlichen Perspektiven über ihre Gedanken und Erlebnisse berichten. Alle Figuren – ob fiktiv oder nicht – kennen sich entweder bereits oder werden sich in der viertätigen Zeitspanne begegnen. Aus ihren Erzählungen entsteht ein ebenso authentischer wie spannender Thriller. “In den Straßen die Wut” von Ryan Gattis zeigt fesselnd, wie schmutzig und gewaltsam ein Ausnahmezustand selbst unterhalb der Wahrnehmungsschwelle einer weltweiten Öffentlichkeit noch sein kann.
Der Autor
Ryan Gattis lebt in Los Angeles. Seinen Roman, der in zahlreiche Länder verkauft wurde, bezeichnet er selbst als «sourced fiction», authentisch durch recherchierte Information. Seine wichtigste Quelle. Ein Bandenchef, zu dem er Zugang fand, weil seine Tochter ihm Gattis‘ frühere Romane empfahl, und der deutlich machte, was ins Buch kommen dürfe und was eine Kugel in den Kopf zur Folge haben würde.
Der Übersetzer
Ingo Herzke ist 1966 in Alfeld an der Leine geboren. Übersetzte A. L. Kennedy, Aravind Adiga, Paula Fox, A. M. Homes, Nick Hornby, M. J. Hyland und viele mehr. Er lebt mit Frau und zwei Kindern in Hamburg.