Ryan Gattis: Das System

DAS SYSTEM von Ryan Gattis ist spannungsgeladene Mischung aus gut recherchierten Krimi, Gerichtsdrama und Sozialstudie.

Genau am Nikolaustag des Jahres 1993 wird der Junkie Augie Zeuge, wie seine Dealerin Scrappy direkt vor ihrer Haustür durch Schüsse niedergestreckt wird. Er raubt der Schwerverletzten das Drogen und steckt auch die vom Täter hinterlassene Waffe ein. Als er kurz darauf verhaftet wird, braucht er also vor allem eins: eine glaubhafte Story. So schiebt er die Tat den Gangmitgliedern Dreamer und Wizzard in die Schuhe. Und tatsächlich: Bei einem der beiden wird plötzlich die Tatwaffe gefunden. Die beiden Gangster landen im L.A. County Jail. Doch Dreamers bester Freund versucht herauszufinden, wie die Waffe in dessen Zimmer kam und wer die beiden in den Knast befördert hat. Und mit ihm ist nicht zu spaßen…

Das System

Sehr realistisch und minutiös zeichnet Ryan Gattis in seinem Krimi “Das System” die Vorgänge aus der Perspektive der einzelnen Protagonisten von der Tat bis zum Gerichtsurteil nach. Kapitelweise kommen alle Beteiligten als Ich-Erzählende an die Reihe. So zeigt er uns die Sicht der Staatsanwaltschaft und der Beschuldigten, der Zeugen, des Opfers und des engagierten Rechtsanwalts. Penibel führt Gattis dabei vor, wie das juristische System in den USA mit seinen Vorverurteilungen und Manipulationsmöglichkeiten damals funktionierte – und vielfach bis heute funktioniert. Die Details sind sehr gut recherchiert und fangen die Atmosphäre in Los Angeles anderthalb Jahre nach den Rodney-King-Riots authentisch ein. Damals waren vier weiße Polizisten freigesprochen worden, die den Schwarzen Rodney King bei einer Verkehrskontrolle brutal misshandelt hatten. So ist “Das System” eine gelungene und spannungsgeladene Mischung aus Krimi, Gerichtsdrama und Sozialstudie, die uns vor Augen führt, wie alt das Black Lives Matters-Problem in den USA bereits ist.

Ryan Gattis lebt in Los Angeles. Seinen Roman, der in zahlreiche Länder verkauft wurde, bezeichnet er selbst als «sourced fiction», authentisch durch recherchierte Information. Seine wichtigste Quelle: ein Bandenchef, zu dem er Zugang fand, weil seine Tochter ihm Gattis‘ frühere Romane empfahl, und der deutlich machte, was ins Buch kommen dürfe und was eine Kugel in den Kopf zur Folge haben würde.