T.C. Boyle: Hart auf Hart
IIn HART AUF HART entführt uns T.C. Boyle in die Gedankenwelt seiner Außenseiter, die nicht selten absurde Züge annimmt.
Gelesen von August Diehl
Sara lebt mit ihrem Hund auf einer Farm im nordkalifornischen Hinterland. Staatliche Organe wie Steuerbehörden oder die Polizei sind ihr zu wider. Deshalb sieht sie es auch nicht ein, einen Sicherheitsgurt anzulegen, was ihr regelmäßig Ärger einbringt. Als sie den Tramper Adam mitnimmt, entwickelt sich eine leidenschaftliche Liaison zwischen ihnen. Adam hat selbst große Probleme mit der Obrigkeit: Der Einzelgänger hortet Waffen, baut Drogen an und leidet unter Verfolgungswahn. Und er nimmt die Sache mit seinen imaginären Feinden sehr ernst – zu ernst, wie Sara bald merkt.
Hart auf Hart
Nachdem sich T.C. Boyle in “Wenn das Schlachten vorbei ist” mit den inneren Widersprüchen des Naturschutzgedankens beschäftigte, setzt er sich in seinem Roman “Hart auf Hart” mit einem ur-amerikanischen Problem auseinander: dem Verhältnis von persönlicher Freiheit und staatlicher Macht. In seinem Roman geht es um Menschen, die an die absolute individuelle Freiheit glauben und sich um Gesetze nicht scheren. Das fällt ihnen umso leichter, als auch der Rechtsstaat nicht immer mit gleichem Maßstab misst. So darf der Ex-Marine Sten in Costa Rica einen Dieb straflos töten und wird dafür sogar als Held gefeiert, während Sara Ärger mit der Behörde bekommt, weil sie ihren Hund nicht gegen Tollwut impft. Boyle zeigt in “Hart auf Hart” (im englischen Original: “The Harder They Come”), wie sich seine Figuren immer weiter von der Gesellschaft entfernen und dabei ihre ganz eigene Vorstellung von Freiheit entwickeln.
Da ist Adam, der in dem Trapper John Colter (1774–1813) die ideale Verkörperung des amerikanischen Mythos von Freiheit und Abenteuer sieht und ihm nach Kräften nacheifert. Doch während dieser im 18. Jahrhundert tatsächlich den Norden Amerikas als ungebundener Biberjäger und Pfadfinder durchstreifte, verliert sich Adam immer mehr in einer Wahnwelt voller Aliens und schreckt schließlich auch vor Mord nicht zurück. Begleitet wird er zeitweise von der 40-jährigen Sara, die sich ebenfalls ihre eigene Welt geschaffen hat, in der der Staat keinen Platz hat, die aber immer wieder merkt, wie eng ihre Grenzen eigentlich sind.
Gekonnt entführt uns T.C. Boyle in “Hart auf Hart” in die Gedankenwelt seiner Außenseiter, die zwar nicht selten absurde Züge annimmt, ohne die aber amerikanische Eigenheiten wie das Recht auf Waffenbesitz oder die Ablehnung einer Krankenversicherungspflicht kaum verständlich sind. Ein spannender Blick in die amerikanische Seele, herausragend gelesen von dem Schauspieler August Diehl.
T. C. Boyle, geb. 1948 in Peekskill, New York im Hudson Valley, war Lehrer an der dortigen High-School und publizierte während dieser Zeit seine ersten Kurzgeschichten. Heute lebt er in Kalifornien und unterrichtet an der University of Southern California in Los Angeles Creative Writing.
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