Jakob Arjouni: Cherryman jagt Mr. White
CHERRYMAN JAGT MR. WHITE von Jakob Arjouni ist ein spannender Thriller ebenso wie eine engagierte Gesellschaftskritik.
Der 18-jĂ€hrige Rick möchte eigentlich nicht mehr, als Comics zu zeichnen und eine beschauliche Lehrstelle als GĂ€rtner finden. Doch das ist nicht so ganz einfach, wenn man in Storlitz bei FĂŒrstenwalde lebt, 40 lange S-Bahn-Minuten von Berlin entfernt und schon mitten in der brandenburgischen Pampa. Dort leben auch Robert, Mario, Vladimir und Heiko. Die Vier maltrĂ€tieren den zurĂŒckgezogenen AuĂenseiter, sobald sie ihn nur sehen, zwingen ihn – gern auch auf eigene Kosten – zu kleinen BotengĂ€ngen in den GetrĂ€nkemarkt oder zu Zwangsabgaben fĂŒr die âVereinskasseâ der Clique. Doch was sie ihm jetzt anbieten, ist fĂŒr Rick tatsĂ€chlich eine groĂe Chance. Er kann bei einem Kumpel von ihnen eine GĂ€rtnerlehre beginnen.
Die Sache hat nur einen Haken. Er soll fĂŒr die nationale âHeimatfrontâ nachmittags noch ein Praktikum in einer öffentlichen Parkanlage absolvieren und dabei den anliegenden jĂŒdischen Kindergarten beobachten. Rick geht auf den Deal ein, obwohl er eigentlich nichts weiter mit den Neonazis am Hut hat. Doch dann bekommt die Sache eine Wendung, auf die sich Rick trotz aller Erpressungsversuche nicht mehr einlassen will – zunĂ€chst.
In vielen lĂ€ndlichen Gegenden der östlichen BundeslĂ€nder gibt es groĂe Probleme mit dem Rechtsextremismus, der laut offiziellen Quellen seinen Zenit noch lange nicht erreicht hat. Aber auch in GroĂstĂ€dten sind Neo-Nazis wie die “autonomen Nationalisten” seit Jahren sehr aktiv. Nicht zuletzt der groĂe Skandal um die Mordserie der âNSUâ zeigt, wie brisant das Thema ist. Jakob Arjouni, der sich immer wieder mit brisanten und aktuellen Themen auseinandersetzt, legt mit âCherryman jagt Mr. Whiteâ eine zwar kurze, aber sehr eindrucksvollen Geschichte vor.
Durch die Augen seiner Romanfigur Rick, der die Story in Form von Briefen erzĂ€hlt, erfahren wir Einiges ĂŒber das Leben als 18-jĂ€hriger AuĂenseiter in einem kleinen Kaff bei Berlin. In dem es kaum eine Chance gegen die vier aggressiven Jungen im Ort gibt. Dabei behĂ€lt sich Rick in seiner ErzĂ€hlung jedoch eine gesunde NaivitĂ€t. Und berichtet einfach und geradeaus, wie er selbst die Ereignisse erlebt und was er dabei empfindet.
Auf diese Weise fesselt Jakob Arjouni seine Leser von der ersten Seite an und fĂŒhrt sie durch eine Geschichte, die mit einer moralischen Frage endet. Ist Selbstjustiz unter UmstĂ€nden erlaubt und wenn ja, wie weit darf sie gehen? “Cherryman jagt Mr. White” von Jakob Arjourni ist ein spannender Thriller ebenso wie eine engagierte Gesellschaftskritik.
Jakob Arjouni, geboren 1964 in Frankfurt am Main, veröffentlichte Romane, TheaterstĂŒcke, ErzĂ€hlungen und Hörspiele. Er war 21 Jahre alt, als sein Frankfurter Privatdetektiv Kemal Kayankaya in âșHappy birthday, TĂŒrke!âč zum ersten Mal ermittelte. Es folgten vier weitere FĂ€lle, fĂŒr âșEin Mann, ein Mordâč erhielt Jakob Arjouni 1992 den Deutschen Krimipreis. Sein Werk ist in 23 Sprachen erschienen. Jakob Arjouni starb 2013 in Berlin.